August sollte der Philosoph und Historiker Achille Mbembe die Ruhrtriennale in Bochum mit einem Vortrag eröffnen.
Es lässt zwei Extreme zu, die Welt ist in ‚gut‘ und ‚böse‘ gespalten, ohne ein Mittleres. Der afrikanische Philosoph Achille Mbembe legt ein überzeugendes Bekenntnis zum politischen Universalismus ab und lässt seine Kritiker brillant abblitzen. Der afrikanische Philosoph sieht deshalb in klarer Ansprache auf Lorenz Deutsch, Felix Klein und ganz allgemein auf die Hexenjagd in Deutschland auf „Antisemiten“ bezogen die Grundprinzipien einer liberalen Gesellschaft infrage gestellt: „Das gilt insbesondere für die beiden Grundfreiheiten, ohne die eine Ausübung der Demokratie und der Schutz individueller Rechte nicht möglich sind: die Gedanken- und die Gewissensfreiheit.“Und er fährt unter Berufung auf Immanuel Kant fort: „Wenn Denken oder Glauben nicht mehr frei ausgeführte Handlungen des Subjekts sind, sondern ein Nachbeten von Katechismusartikeln ohne Überzeugung, und wenn Dissens ein Vorwand für Repression sein kann, dann gibt es keine Gewissensfreiheit mehr. Sie begründet das so: „Von einer psychologischen Warte aus ermöglicht diese Blende es den jüdischen Israelis, das Leid und die Menschlichkeit der Bewohner auf der anderen Seite zu vergessen. Copyright © Neue Zürcher Zeitung AG.
Wenn er von der Utopie der „universellen Versöhnung“ und dem „kollektiven Aufstieg des Menschseins“ spricht, bezieht er sich ausdrücklich auch auf jüdische – universell ausgerichtete – Denker wie Hermann Cohen, Franz Rosenzeig, Ernst Bloch und Emmanuel Levinas.Und da der aus Europa kommende Kolonialismus und Rassismus in seinem Denken eine so wichtige Rolle spielt, muss er sich auch notgedrungen mit der Geschichte und den Vorgängen in Israel/Palästina beschäftigen, denn der Zionismus ist die letzte (nach-) kolonialistische Bewegung auf der Welt und gerade deshalb so anachronistisch. Fairerweise muss einschränkend erwähnt werden, dass viele Li-Libs sich subjektiv wirklich nicht als Antisemiten oder Antizionisten wahrnehmen. Dieses kolonialistische Denken, das in den ‚Eingeborenen‘ so etwas wie natürliches Inventar sieht, das einerseits nach Gutdünken ausgebeutet werden will, oder bestenfalls Rohmaterial ist, von einem allmächtigen Herrenmenschen zu Höherem formbar, wurde im Europa des 19. Aber der Schuss ging gründlich daneben und geriet – in der Fußballsprache gesagt – zum mehr als peinlichen Eigentor. Seine Unterstützer bezeichnen den Nationalsozialismus als Spielart des Kolonialismus. Im Rechtsstaat dürfe niemand Gegenstand öffentlicher Anschuldigungen sein, wenn es keinen eindeutigen Beweis für das Verbrechen gebe, das man jemanden vorwerfe. Erstere sind heute die Anhänger des Zionismus bzw. Er zählt zu den Vordenkern des Postkolonialismus. Und: Wird das Existenzrecht Israels geleugnet?
Hannah Arendt hat nach ihren Erfahrungen mit dem NS-Totalitarismus immer wieder die Forderung erhoben, dass wir keine Wahl haben, mit wem wir auf der Erde zusammenleben. Die Kritik dieser beiden an Mbembe belegt aber sehr deutlich, in wie engen dogmatischen Bahnen in Deutschland die Auseinandersetzung mit Israel verläuft. Sie reduziert sich auf drei Fragen: Wird der Holocaust relativiert? (…) Das Unrecht, das den Palästinensern angetan wird, liegt so klar auf der Hand, dass man, um es nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen, das Thema als solches tabuisieren muss.
An dieser Stelle wird der offenbar unauflösliche Widerspruch zwischen einem intellektuellen Vertreter der Dritten Welt (eben Achille Mbembe) und der zionistischen Ideologie und dem politischen System, das er geschaffen hat, ganz deutlich, denn Israel ist ein siedlerkolonialistischer Staat.Vor Jahren schon hat der israelische Psychologe Benjamin Beit-Hallahmi diesen Widerspruch, den Mbembe hier anspricht, sehr deutlich herausgearbeitet und klargemacht, warum das zionistische Israel so auf dem Kriegsfuß mit universalistischen Prinzipien – Menschenrechten und Völkerrecht – steht: „Der kolonialistische Standpunkt dient bei allen Aktivitäten Israels in und gegenüber der Dritten Welt als Richtschnur. Ludovic Lado, ein Jesuitenpater aus Kamerun, ruft im Namen afrikanischer Intellektueller zur Unterstützung des Philosophen Achille Mbembe und gegen die "Instrumentalisierung von Antisemitismus" auf. Die Ruhrtriennale, an der er die Eröffnungsrede hätte halten sollen, ist zwar abgesagt.
Eine Auseinandersetzung über die Menschenrechte – und damit auch über die Moral in der Politik – könne Israel sich nicht leisten und müsse deshalb um jeden Preis vermieden werden.Beit Hallahmi schreibt weiter: „Solche Fragen auch nur zu stellen, hieße, dem Zionismus den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Am 14.
Einer der anregendsten Denker Afrikas bekommt in Düsseldorf den mit 100000 Euro dotierten Gerda-Henkel-Preis. Die deutschen Antisemitismusjäger glaubten, ein neues Opfer gefunden zu haben: den aus Kamerun stammenden Historiker und Philosophen Achille Mbembe.
Afrika hat er immer im Blick.
Denn Mbembes Erwiderung auf die Vorwürfe in der Auch auf die Gefahr hin sich zu wiederholen: Es ist kein Geheimnis, dass sich das Judentum in einer tiefen existentiellen Krise befindet, weil es in zwei große Richtungen gespalten ist: die Partikularisten und die Universalisten. Achille Mbembe ist ein würdiger Kandidat für den diesjährigen Friedenspreis des deutschen Buchhandels.Achille Mbembes brillante Antwort auf den AntisemitismusvorwurfDer afrikanische Philosoph Achille Mbembe legt ein überzeugendes Bekenntnis zum politischen Universalismus ab und lässt seine Kritiker brillant abblitzen
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